Ernst Albrecht, der Freund der
Bootsflüchtlinge, ist gestorben
Nachruf von
Rupert Neudeck
14.12.14
Ernst
Albrecht, der am 12.Dezember im Alter von 84 Jahren gestorben ist, war der
einzige Politiker in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands, der sich einer
verfolgten Bevölkerung, den vietnamesischen Bootsflüchtlingen annahm. Wir haben
ihn bei der gemeinsamen Rettungsarbeit schätzen gelernt. Weil er anders als
sonstige zuständige Ministerpräsidenten und Ministeriale sich direkt leiten
ließ von der Möglichkeit, als Chef eines deutschen Bundeslandes mehr zu tun,
als die mühseligen politischen und publizistischen Debatten dann später
zuließen.
Eine Gruppe
von Deutschen wird die Nachricht mit besonders großer Bestürzung und Trauer
empfinden: die Deutschen vietnamesischer Abstammung. Er nahm schon einige
Monate vor der Begründung der Idee eines deutschen Rettungsschiffes tausend
Vietnamesen auf. Sie waren damals zusammengepfercht auf einem chinesischen
Schiff, der Hai Hong, einem klassischen Schleuserschiff. Dieses Schiff lief
jeden Hafen am Süd-Chinesischen Meer an, um diese Last von verzweifelten
Flüchtlingen loszuwerden: Vergeblich. Da wurde Ernst Albrecht darüber
informiert, dass er mit einer Entscheidung ohne den Bund zu fragen, tausend
Menschen aufnehmen könne. 2008 sahen wir bei der Feier der dreißig jährigen
Wiederkehr des Tages den schon gesundheitlich angeschlagenen Ernst Albrecht
noch einmal in großer Freude.
Er hat in
den Jahren bis 1985 den Verantwortlichen von Cap Anamur immer bewiesen, dass
Politik nicht nur genehmigen und zulassen, sondern sich auch aktiv an Rettung
von Menschen beteiligen kann. Er nahm meist mehr auf, als Niedersachsen
aufnehmen und akzeptieren musste. An einem Sonntag lud er uns 1981 nach
Hannover Beinhorn in sein Haus ein, um sich ein Bild von den Rettungsaktionen
an Bord der Cap Anamur zu machen. Anwesend war der langjährige Schiffsarzt Dr.
Franz König, der große Freund und Mitkämpfer bei diesen Aktionen im Fernsehen,
Franz Alt und ich selbst. Ich habe in 35 Jahren niemals einen Großpolitiker
erlebt, der sich so für die Menschen und die Bedingungen ihrer Gefährdung durch
Piraterie, Vergewaltigung und die sonstigen Gefahren des Meeres interessierte
und sich kümmerte wie eben jener Dr. Ernst Abrecht.
Ich habe ihn
vor anderthalb Jahren noch einmal gesehen in dem Haus in Hannover Beinhorn, das
jetzt von seiner Tochter geführt wurde, Ursula von der Leyen. Er freute sich
über den Besuch, bei dem Wort Vietnamesen schien er etwas zu ahnen. Einige
Vietnamesen haben ihren Retter noch besucht.
Das Andenken
an Ernst Albrecht ist nicht nur museal. Es wäre gut, wenn es jemanden gäbe, der
in ähnlicher Menschen-rettender Beherztheit sich der Not und Tragik von – sagen
wir tausend oder fünftausend Menschen für sein Bundesland annehmen würde. Wie
das gehen soll? Es gibt eine Geschichte, die dazu aus dem Anlaß des Todes von
Ernst Albrecht wert ist, noch einmal für unsere Tage bekannt zu werden. Er
hatte der Cap Anamur wieder Plätze zugesagt, mehr als er und das Bundesland auf
Grund des Verteilerschlüssels geben musste. Er gab das in der Kabinettsrunde
bekannt. Daraufhin schrieb sein damaliger Innenminister Möcklinghoff auf einen Zettel:
„Ich habe aber keine Plätze. Möcklinghoff“ und reichte den Zettel zu dem Ministerpräsidenten
durch. Albrecht sah kurz auf den Zettel und schrieb mit gleicher Klarheit:
„Dann machen
Sie welche. Albrecht!“
Das ist immer
noch ein Vermächtnis, das auf einen Nachfolger wartet, liebe deutsche
Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten!
Hunc
meminisse iuvabit. Es wird uns bei den Kämpfen für mehr Plätze für Syrer,
Iraker, Jeziden, Eriträer, Christen, Kurden usw. helfen, uns an Ernst Albrecht
zu erinnern.
Rupert
Neudeck
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