Uwe Siemon-Netto: „Duc,
der Deutsche: Mein Vietnam. Warum die Falschen siegten
„Wer begann
diesen Krieg? Kämpften südvietnamesische Truppen in Nordvietnam? Nein! Überquerten
südvietnamesische Guerilleros den 17. Breitengrad, um im Norden
pro-kommunistischen Dorfschulzen und ihren Angehörigen den Bauch
aufzuschlitzen, den Männern die Zunge herauszureißen, die Geschlechtsteile
abzuschneiden und in den Mund zu stecken, bevor sie Männer, Frauen und Kinder
aufhängten? Nein! Liquidierte die südvietnamesische Regierung ganze Gesellschaftsschichten,
so wie im Norden hunderttausende Grundbesitzer und andere echte oder vermeintliche
Opponenten des Regimes umgebracht wurden? Nein!"
Im Norden
ein mörderischer Einparteienstaat, im Süden ein Land, in dem mitten im Krieg
freie Wahlen abgehalten wurden. Die Sympathien der Demonstranten galten dem
eiskalt tötenden Aggressor, nicht dem Verbündeten der Demokratien.
Die Jugend
der westlichen Welt lief mit Ho-Ho- Ho- Chi- Minh- Rufen und Bildern des
ziegenbärtigen Diktators Sturm gegen die amerikanische Kriegsführung und ihre
südvietnamesischen Verbündeten. Die Massendemonstrationen gegen den
Vietnamkrieg wurden zu tragenden Säule der 68er Bewegung.
Bis heute
dominiert das falsche Geschichtsbild der 68er. Es wird vom
„Befreiungskrieg" gesprochen, den der kommunistische Norden gegen den
amerikahörigen Süden geführt habe.
Uwe
Siemon-Netto geht in seinem ebenso bewegenden wie lehrreichen Buch „Duc, der
Deutsche" der Frage nach, wer in diesem Krieg wen und zu welchem Zweck
„befreite" und wer diese Befreier eigentlich waren. Damit leistet er einen
unschätzbaren Beitrag zur notwendigen Korrektur einer der wirksamsten und
folgenreichsten Geschichtsfälschungen des letzten Jahrhunderts.
Zu
hoffen bleibt nur, dass seine Botschaft endlich in der Öffentlichkeit gehört
wird.
Wie kam es,
dass die militärischen Verlierer am Ende die Sieger waren und Vietnam unter
ihrer kommunistischen Knute vereinigt wurde?
Es war ein
Sieg ihrer Propaganda, den sie mit ihren willigen Helfern im Westen erringen
konnten. Es war der erste Krieg, der nicht militärisch, sondern an der
Medienfront entschieden wurde.
Westliche
Intellektuelle, wie John Kenneth Galbraith, Jean Paul Sartre oder der
westdeutsche Vietcong-Propagandist Erich Wulff, der 1968 nur deshalb nicht der
DKP beitrat, um seine Professur in Hannover nicht zu verlieren, beeinflussten
maßgeblich die öffentliche Meinung, indem sie die kommunistischen Verbrechen
blind ignorierten und die amerikanischen Gräuel, die es natürlich auch gegeben
hat in den Focus rückten, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um ein
amerikanisches Prinzip, sondern um dessen Verletzung handelte.
Es war
richtig, die amerikanischen Kriegsverbrechen anzuprangern, auch wenn sie
zahlenmäßig viel geringer und kein Bestandteil einer Strategie waren. Das
zeichnet demokratische Systeme aus.
Es war fatal, die
systematischen kommunistischen Verbrechen darüber zu vernachlässigen.
Uwe
Siemon-Netto wurde in der Kaiserstadt Hue während der Tet-Offensive 1968 Zeuge,
wie wenig sich linksradikale Ideologen von der Realität umstimmen lassen.
Er war
unterwegs mit einem Reporterkollegen vom Stern, der aus seiner linksradikalen
Gesinnung keinen Hehl machte.
Als der
Militärkonvoi die Stadt erreichte, die vom Vietcong erobert worden war, mussten
die Fahrzeuge häufig halten, weil hunderte Leichen auf den Straßen lagen.
An den
Verletzungen war deutlich zu erkennen, dass es sich um Opfer von
Massenerschießungen aus nächster Nähe handelte, überwiegend Frauen und Kinder,
festlich gekleidet für das vietnamesische Neujahrsfest. Der Stern-Mann wollte
lieber seinen Augen nicht trauen, als seine Überzeugung, es könne sich nur um
Opfer amerikanischer Luftangriffe handeln, aufgeben.
Wie sich
bald darauf herausstellte, waren die Erschossenen noch glücklich dran gewesen.
Viele Menschen waren lebendig begraben worden. Siemon-Netto sah am Rande eines
Massengrabes frisch manikürte Finger aus dem Boden ragen.
Der
Vorzeigelinke Noam Chomsky begründete seinen Weltruhm damit, dass er die
kommunistischen Verbrechen von Hue leugnete. Er gilt bis heute als
renommierter Vietnamkriegskritiker.
Aber auch das
amerikanische Pressekorps trug zur Geschichtsfälschung bei. Auf seinen
täglichen Pressekonferenzen war nur von „Zwischenfällen" der letzten 24
Stunden die Rede, ohne Details. Die grausamen Schicksale der südvietnamesischen
Zivilisten reduzierten sich zur reinen Zahl.
Linke Journalisten
wollten es nicht genau wissen. Siemon-Netto zitiert einen Kollegen, der beim
„Stern" als „Mehlwurm" bekannt war: „Aus der Ferne lassen sich solche
Vorgänge viel klüger bewerten."
Selbst die von den
68ern geschmähte Springerpresse übte sich in Selbstzensur. Als Siemon-Netto in
einer Reportage Vorfälle schilderte, die belegten, dass manche spektakuläre
Selbstverbrennung von buddhistischen Mönchen nicht freiwillig, sondern eine
grausame Inszenierung der Vietcong war, wurde sie nicht gedruckt.
Ein bitteres Kapitel
ist die Beteiligung der DDR am Krieg. Während die Bundesrepublik nur humanitäre
Hilde leistete, bildete die DDR Soldaten und Geheimdienstleute aus.
Vor allem lieferte sie
Waffen. Unter anderem die berüchtigten Tellerminen, die noch in den 80er Jahren
an der innerdeutschen Grenze eingesetzt wurden und die den Menschen die Beine
abrissen. In Vietnam vor allem Zivilisten, die sich minensichere Stiefel nicht
leisten konnten.
Nach Kriegsende hatte
sich die DDR übrigens vietnamesische „Vertragsarbeiter" ins Land geholt,
die diese „brüderliche Hilfe" zurückzuzahlen hatten, indem sie einen Teil
ihres Lohnes an den Arbeiter- und Bauernstaat abgeben mussten.
Der ehemalige General
Vo Nguyen Gap, verantwortlich für die terroristische Kriegsführung gegen die
Zivilbevölkerung, sorgte dann als Chef für „Bevölkerungs- und
Familienplanung" dafür, dass sich schwangere Vietnamesinnen in der DDR
Zwangsabtreibungen unterziehen mussten.
Als der Verantwortliche
für den Tod von Hunderttausenden, vorwiegend jungen Menschen, im Alter von 102
Jahren starb, bekam er von westlichen Journalisten, die ihre eigenen Soldaten
als „Babykiller" schmähten, milde Nachrufe.
Damit sind wir bei der
abschließenden Frage, ob der Westen wenigstens etwas aus diesen Fehlern gelernt
hat.
Die
Politiker anscheinend nicht, denn sie haben ähnliche Fehler im Irak und in
Afghanistan wiederholt.
Die
demokratischen Politiker haben bisher aus Vietnam keine Lehren gezogen, wie man
angemessen mit totalitären Systemen umgeht. Das wird sich in der kommenden
Auseinandersetzung mit dem Islamismus rächen.
Deshalb sollte Siemon-Nettos Buch zur
Pflichtlektüre für
alle Politiker werden.
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