Donnerstag, 6. März 2014

Was geht uns Vietnam an?


Was geht uns Vietnam an?

Die Frage höre ich oft, wenn ich meine lieben und nicht lieben Freunde und „Freunde“ auf die Menschenrechtslage in Vietnam hinweise. Vietnam hat die Weltmacht USA besiegt, dann sollen die doch selber …

Die Meinung gehört in den Giftschrank jeder beliebigen Apotheke. Sie ist nicht nur inhuman und unmoralisch, sondern auch  – politisch gesehen – töricht. 

Aussagen wie „Ich war in Vietnam im Urlaub und habe nichts gesehen, was man beklagen kann“, schmerzen mich  zutiefst, genauso wie die stereotypien, faulen Ausreden wie „Der Krieg ist vorbei. Südvietnam ist befreit worden. Versuche nicht, die Revolution zu verunglimpfen!“ Das ist wohl die Philosophie des Versagens, das Credo der Ignoranz, sonst nichts.

In der Tat konvergieren zwei ideologisch entgegengesetzte Welten zu einem trügerischen Bild, zu einer Fata Morgana der Moderne. Die einen spielen gerne die klugen Affen, die nichts sehen, nichts hören und auch nichts sagen wollen. 

Die anderen verteidigen mit Zehen und Klauen ihre verrotteten Vorstellungen, um ihr politisches Popidol Ho Chi Minh nicht zu beschädigen, ohne zu merken, dass die angeblichen oder tatsächlichen US-Imperialisten inzwischen zu den beliebtesten Investoren in Vietnam gehören. 

Die Globalisierung frisst ihre Kinder auf, auch wenn sie nur hören, was sie hören wollen und nur sehen,  was sie sehen wollen. Die reale Welt wird konsequent ausgeblendet.

Dass kaum jemand von der neuen Verfassung Vietnams hört, deren Lächerlichkeit nicht einmal von den selbsternannten Präsidenten Afrikas überboten wird, ist eher zu verzeihen? Eine überbordende Diskussion überfordert Otto Normaltouristen. Man reist  nach Vietnam, um sich zu erholen und nicht, um sich die Finger zu verbrennen.

Seien wir ehrlich: Wer macht sich schon die Mühe zu zählen, wie viele friedliche Demonstranten brutal zusammengeschlagen und verhaftet wurden? Wie viele harmlose Blogger für Jahre eingesperrt werden? Wie vielen Menschen ihr Land geraubt wurde, zugunsten der Global Player? Wie gnadenlos die Ausbeutung von Mensch und Natur in Vietnam ist? Wie es mit der Glaubens- und Pressefreiheit aussieht? Wie korrupt Vietnam ist? Wie viele Frauen nach China verkauft wurden?

Wer möchte sich seinen Urlaub mit solchen miesen Zahlen vermiesen lassen? Oder öffentlich zugeben, dass es ein folgenschwerer Irrtum war, „Ho Ho Ho Chi Minh“ zu schreien?

Letztendlich kann man sich damit entschuldigen, dass es in den Medien nichts zu lesen, zu sehen oder zu hören gibt, obwohl die Vertreter dieser Branche wissen, dass man lügen kann, ohne ein einziges unwahres Wort zu erwähnen, in dem man unangenehme Fakten ausblendet.

Und eine schamlose Ausblendung von Wahrheiten ist Gift für die Pressefreiheit.

Zur Verteidigung der Pressefreiheit gehört also auch der Mut, gegen den Strom zu schwimmen, denn nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. 

Man vergisst gerne, dass die Pressefreiheit inzwischen schon als „die 4. Staatsgewalt“ bezeichnet wird, mit allen Konsequenzen einschließlich ihres Missbrauchs.

Vom amerikanischen Schriftsteller Mark Twain stammt der weise Satz: „Es war schon immer eine Eigenart des Menschengeschlechts, zwei Garnituren Moral auf Lager zu halten – die verborgene wahre und die öffentlich vertretene, künstliche.“

Ich füge die dritte Garnitur Moral hinzu, nämlich das Verschweigen von unbequemer Wahrheit, einhergehend mit dem Aufblasen von nebensächlichen Details, die dem Mainstream passen.

Macht (die 4. Staatsgewalt) und Machtmissbrauch (Verschweigen der unbequemen Wahrheit) sind in Bezug auf Vietnam miteinander eng verzahnt, es sei denn man fragt sich:  

Geht uns Vietnam wirklich nichts an?

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