Vietnam
Die Zeit der
Intrigen in Hanoi
Von
Klaus Huhold
- Die
Kommunistische Partei stellt bei ihrem Kongress die Weichen für die
Zukunft Vietnams.
Im
Straßenbild von Hanoi ist nicht zu übersehen, dass der Parteikongress
stattfindet.© ap
Hanoi/Wien.
Vietnam trauert um seine berühmteste Schildkröte: 120 Jahre lang hat "Cu
Rua", wie das Tier auf Vietnamesisch hieß, seine Runden im Hoan-Kiem-See
in der Altstadt von Hanoi gedreht - und laut Volksglauben brachte es Glück,
wenn man die Schildkröte erblickte. Doch diese Woche starb sie - den Behörden
zufolge war die Kombination aus Altersschwäche und schlechtem Wetter zu viel
für das Tier. Viele Vietnamesen brannten daraufhin Räucherstäbchen ab, um Cu
Ruas zu gedenken.
"Der Tod
der Schildkröte ist eine schlechte Nachricht für Vietnam", schrieb die Tageszeitung
"Thanh Nien". Für manche Vietnamesen ist es kein gutes Omen, dass das
Ableben der Schildkröte ausgerechnet in dieselbe Woche fällt, in der ein
politisches Ereignis stattfindet, bei dem die Weichen für die Zukunft des
Landes gestellt werden: Heute, Donnerstag, beginnt, ebenfalls in der Hauptstadt
Hanoi, der XII. Parteikongress der Kommunistischen Partei (KP), der alle fünf
Jahre stattfindet.
Eine Woche lang
tagen 1510 Delegierte über den künftigen politischen Kurs des
Ein-Parteien-Staates. Außerdem werden bei dem Treffen die wichtigsten Posten
wie der des Präsidenten, des Premiers und am allerwichtigsten der des
KP-Generalsekretärs der Partei vergeben.
Die Partei ist
gewöhnlich ein geschlossener Zirkel, der Streitigkeiten intern löst. Doch
dieses Jahr ist das anders, diesmal lassen, unter dem Schutzmantel der
Anonymität, Parteimitglieder die Bevölkerung an ihren Intrigen teilhaben.
Interne Memos und denunziatorische Briefe kursieren plötzlich im Netz, es
wabern die Gerüchte.
Dabei zeichnet
sich ein Richtungsstreit zwischen dem Lager von Generalsekretär Nguyen Phu
Trong und dem von Premier Nguyen Tan Dung ab. Sekretär Trong gilt als Ideologe,
Ministerpräsident Dung als Pragmatiker. Trong sucht außenpolitisch den Ausgleich
mit China, Dung hat die Annäherung an die USA vorangetrieben. Jetzt will
US-Freund Dung offenbar Generalsekretär werden, und Trong möchte das
verhindern.
Korruption sorgt
für Wut
Wahrscheinlich
wird keine der beiden Fraktionen als Sieger aus den Grabenkämpfen hervorgehen,
sondern es wird ein Kompromiss gefunden werden. Nach dem Kongress wird die KP
wohl versuchen, die Risse wieder zu kitten - denn sie muss als einheitlicher
Block auftreten, um ihren Führungsanspruch zu stärken.
Dieser ist nicht
mehr selbstverständlich. Die KP hat in den vergangenen Jahrzehnten das Land
wirtschaftlich geöffnet, ihm damit einen großen Aufschwung gebracht und die
Lebenssituation vieler Bürger verbessert - waren früher in Hanoi nur ein paar
klapprige Fahrräder unterwegs, sieht man heute auch viele Mopeds und Autos.
Doch der Aufschwung lässt langsam nach, und es gärt in manchen
Bevölkerungsteilen. Vor allem die überall präsente Korruption -symbolisiert
durch die teuren Autos der Kinder von Parteikadern - sorgt für Wut. Die
Korruption "gefährdet das Überleben des Regimes", räumte selbst die
KP kürzlich ungewöhnlich offen in einem von ihr veröffentlichten politischen
Report ein.
Deshalb wurde der Kampf gegen Korruption schon im Vorfeld des
Kongresses zur Priorität erklärt.
Zudem bringen
nationalistische Kräfte die Partei unter Druck. Sie verlangen, etwa bei
wütenden Demonstrationen, ein schärferes Vorgehen gegen China, mit dem sich
Vietnam um Seegebiete und Inselgruppen im Südchinesischen Meer streitet.
Auch hier galt
übrigens die Schildkröte Cu Rua als Symbol. Das Tier wurde als Verbindung zu
einer mythischen Schildkröte gesehen, die dem Herrscher Ly Tai To im 15.
Jahrhundert geholfen haben soll, China zu besiegen. Cu Rua war "ein
heiliges Symbol für den legendären Kampf gegen den chinesischen Aggressor ... Was soll nun das Symbol sein?", hieß es nun in sozialen Netzwerken.
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